Donnerstag, 31. Januar 2008

The earth is not a cold dead place





Während unsere Mitstudenten 3D lernen oder sich mit sonstigen akademischen Belangen beschäftigen, sehen wir unseren Auslandsaufenthalt ja eher als kulturellen Auftrag im Namen des Zusammenrückens der Völker an, die durch eine miese Laune der Natur und etwas so Lächerliches wie Geographie und irgendwelche verschobenen Platten voneinander getrennt wurden. Nachdem sich unsere Forschungsarbeit bislang auf Suffgespräche an Bushaltestellen oder in den Raucherzonen zahlreicher Bars und Clubs (sprich: draußen) beschränkte, haben wir nun eine weitere Dimension der Kultur für uns erobert und unser erstes Konzert besucht: "Explosions in the Sky".

Ich war ja schon ein bisschen aus dem Häuschen als ich irgendwo las dass die demnächst hier spielen würden und danach aufgrund akuter Ausverkaufsnervosität erst wieder beruhigt, als ich das wunderschöne Ticket endlich in meinen Händen halten und es abknutschen konnte. Voller Vorfreude und mit funkelnden Augen traf ich also Mali, ihren Mitbewohner Dafydd und Nina ungefähr 15 Minuten vor Einlass vor der Konzerthalle. Merkwürdigerweise hatte sich bereits zu diesem Zeitpunkt eine kilometerlange Britenschlange gebildet. Die Kolonne war so lang, dass ich erst befürchtete vor der falschen Manchester Academy gelandet zu sein und jetzt auf ein Linkin Park-Debakel gehen zu müssen - war dann aber doch richtig. Wahrscheinlich wollten die Leute einfach die ersten am Bierstand sein, sonst fällt mir da kein wirklicher Grund ein der irgendwie Sinn machen würde. Naja! Nina war die Einzige von uns die noch kein Ticket hatte und sorgte aus diesem Umstand heraus für ein weiteres kulturell sehr wertvolles Ereignis: Da war nämlich so ein mysteriöser Typ, nein eigentlich sogar zwei, die ständig entlang besagter Schlange der Sinnlosigkeit vor dem Einlass auf- und abliefen und dabei ein dunkles "Spare ticketsss... spare ticketsss... spare ticketsss..." vor sich hin zischten. Wir rätselten erst rum, ob der eine noch ein Ticket kaufen und der andere welche verchecken wollte, was ja schon fast einer tragischen Hollywoodschnulze gleichkommt, wo die sich schließlich dauernd auf halbem Weg der Schlange begegnen und dann doch aneinander vorbeisegeln, obwohl sie mit ihren sich perfekt ergänzenden Anliegen eigentlich für einander geschaffen wären!! Waren dann aber doch nur zwei gewöhnliche Schwarzmarkttypen in direkter Konkurrenz zueinander, was wahrscheinlich auch der Grund dafür war dass sie sich nicht weinend um den Hals gefallen sind, wie ich es für richtig gehalten hätte.
Nina schickte schließlich Dafydd vor, der in seinem Anzug äußerst slick und eh schon ziemlich businessmäßig aussah, um so ein Ticket abzustauben. Unsere erste Begegnung mit der Halbkriminalität also, wie aufregend! Wieder um eine Erfahrung reicher konnten wir alle doch noch, als die Schlange sich plötzlich in rasanter Geschwindigkeit in die Halle reinwand (nämlich zur Einlasszeit, d-uh) die Manchester Academy 1 betreten und über die frisch renovierte Geräumigkeit staunen. Ich staunte nicht besonders lange sondern tat es den Eingeborenen gleich und sprintete gazellengleich zur Bardame, auf dass sie mir taufrischen himmlischen Nektar zu meinem leiblichen Wohle gereiche, welches sowohl meine angekratzte Kehle vergülden als auch meine geschundene Seele in samtig-weicher Manier in warmer Umarmung heilen sollte. Anscheinend ist da in der Kommunikation aber wieder mal was schief gelaufen, die Alte hat mir nämlich doch wieder nur ein Bier im Plastikbecher hingeknallt. Naja, trotzdem danke.

Die Vorband bestand aus einem Typen der mit Gitarre, Effektgeräten und Keyboard/Synthie/keine Ahnung wirklich sehr schöne und wirklich sehr depressive Musik machte. Dass besagter Typ wirklich anwesend war erfuhren Mali und ich überhaupt erst nach zwei Liedern von Dafydd, da sich in der Zwischenzeit zu viele Briten zwischen der Bühne und unseren addierten knappen zwei Metern Körperlänge aufgebaut hatten.
Nach einem durch das zweite Bier nötigen kurzen Klogang waren wir glücklicherweise schlau genug, es einfach mal weiter vorne und links zu probieren. Da konnte man sogar teilweise was von der Bühne sehen, auch auf meiner Augenhöhe! Das war sehr super, weil ziemlich bald schon meine Lieblingsexplosionen die Bühne betraten und uns anderthalb Stunden lang in ihren Bann zogen. Ich muss zugeben dass ich sogar ab und zu die Augen geschlossen habe, was ja so ziemlich das "cheesieste" ist was man machen kann, aber es war echt zu schön um uncheesy zu bleiben. Außerdem habe ich ja keine Kreistänze aufgeführt und mir dabei vorgestellt ich wäre ein Baum im Zauberwald. Also alles noch im Rahmen.
Nach dem letzten Lied schickte ich noch ein paar Kusshände auf die Bühne und wir verließen die Halle wieder, mit der Romantik im Herzen.

Da ja jeder mit der Romantik ein bisschen anders umgeht, gingen wir nun getrennte Wege. Nina war zu müde und wollte darum nachhause, Mali war "too happy" und wollte darum auch nachhause, ich für meinen Teil war aber selbst auch "too happy" und wollte darum eben noch nicht nachhause, weshalb ich mich Dafydd auf der Suche nach seiner geburtstagfeiernden Mitbewohnerin anschloss. Dieses Unterfangen gestaltete sich als äußerst schwierig, da wir sie zwar immer wieder in verschiedenen Bars fanden, doch jedesmal seltsamerweise kurz bevor sie und ihre Freunde sich auf den Weg in ein anderes Lokal machten - und immer kurz nachdem wir schon etwas bestellt hatten. Hm!
Auch nicht weiter schlimm, so konnte ich zumindest weitere neue Besonderheiten kennenlernen - zum Beispiel die Karaoke Night im Footage, einem Pub/Club für die Jüngeren unter uns, also nicht für mich, sondern für die wirklich Jüngeren unter den Anderen. Ich weiss jetzt auch warum die Pubs hier so gerne Karaokeparties veranstalten: Wenn da nämlich ein angeheiterter Typ bei 50.000 Dezibel "The circle of life" von Elton John oder "I will follow him" aus Sister Act brüllt und die 13.000 Zuschauer begeistert mitgröhlen, kann man gar nicht anders als die Pints in Rekordzeit runterzuschütten. Göttlicher Nektar hin oder her, da hilft echt nur noch Betäubung.

Zum Schluss dieses vor Romantik und Schmalz nur so triefenden Eintrags noch eine letzte neue Erkenntnis von mir aus dieser magischen Nacht, diesmal linguistischer Natur:

Wenn ein Mann eine Frau "love" nennt, also wie in "cheers, love" oder "sorry, love", ist das ganz normal.
Wenn eine Frau eine Frau "love" nennt, ist das auch ganz normal.
Wenn ein Mann einen Mann "love" nennt, ist das schon ein bisschen anders und könnte für Irritationen sorgen.
- Wenn aber eine Frau einen Mann "love" nennt, wird sie dafür ge"bummed".

Sara: "Und was bedeutet bummed?"
Dafydd: "It means you get ass-raped."





"Cheers love" also an die Weiber
und ein trockenes "Tschüss" den Männern,
Sara

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Manchester spawned a monster of Kerouac, Bukowski and Coupland. Right in the kisser!