Sonntag, 3. Februar 2008

Die wunderbare Wiederherstellung meiner mancunischen Mobilität


Letzten Freitag waren wir wieder mal in unserem geliebten Stagecoach unterwegs. Es war wohl sowas wie Rushhour und der Bus war zum Brechen voll. Das alleine war für mich schon äußerst unangenehm, weil wenn meine 1,5 Meter von allen Seiten von schwitzenden, stinkenden, schwankenden Körpern umzingelt sind, dann kriege ich echt Probleme mit der Atemfunktion!
Am nächsten Morgen musste ich leider feststellen, dass sich mein über alles verehrter und teuer erstandene Uni Rider Buspass nicht mehr in meiner Jackentasche befand. Ich kann kaum glauben, dass der im Gedränge einfach rausgefallen ist, aber andererseits glaube ich auch nicht, dass irgendjemand Interesse daran hat, einen Buspass zu klauen, der nur in Verbindung mit einem Studentenausweis (mit Foto) gilt.
Statt aber um die ins Klo gespülten 50 Pfund zu trauern, ging ich erst mal zum Busbahnhof und klagte der Schalterlady mein Leid. Als ich ihr erzählte, dass ich den Buspass verloren habe, gab sie mir eine Telefonnummer, empfahl mir, bei den Uni Rider Leuten anzurufen und dann beugte sie sich ganz nah ans Fenster und zischte mir ins Ohr, dass ich aber, wenn ich denen erkläre, dass ich das Dings verloren habe, sicher keinen gratis Ersatz kriege; wenn ich stattdessen sagen würde, dass er mir gestohlen wurde allerdings… Zum Schluss setzte sie noch ein verschwörerisches Zwinkern oben drauf.

Zuhause überlegte ich mir lauter gute Diebstahlgeschichten, war aber mit keiner richtig zufrieden. Als ich meinen Mitbewohner um Rat fragte gab der mir gleich den Spitzen Tip der Polizei einfach zu erzählen, dass ich mit dem Ausweis in der Hand an der Haltestelle stand, als der mir plötzlich von einem vorbeirennenden Obdachlosen aus der Hand gerissen wurde. What the hell?!
Ich erklärte ihm, dass ich erstens kein guter Lügner bin und zweitens nicht der Typ, der eine eh schon geächtete Randgruppe unschuldigerweise diskreditieren möchte. (Aufgrund meiner dürftigen Englischkenntnisse klang das natürlich nicht ganz so stilvoll wie eben auf deutsch beschrieben.)
Dazu meinte er nur, dass die Polizei mir diese Geschichte auf jeden Fall abkaufen würde - das passiere schließlich jeden Tag denn die Obdachlosen sind ja alle drogensüchtig - und dass es völlig wurscht sei, weil die Polizei dem sowieso nicht nachgehen würde - es würde also somit niemand jemals wegen meiner Notlüge verhaftet werden.

Am Montag machte ich mich dann auf den Weg in die Uni, um erst mal einen Ersatz für meinen Studentenausweis zu kriegen. In Manchester herrscht ein Mangel an Polizisten und deswegen brauchte die gute Sekretärin dann auch ziemlich lange, um für mich die Adresse der nächstgelegenen Policestation rauszusuchen. Schließlich landete ich dann bei einer im City Center.
Mit einem eher mulmigen Gefühl in meiner leeren Magengegend bereitete ich mich seelisch darauf vor, der Polizistin meine sorgsam zurechtgeschusterte Story vom Diebstahl der Buskarte aus dem Seitenfach meiner Handtasche während der Busfahrt der Hölle aufzutischen. Aber dann kam alles ganz anders:

Sie: How can I help you?
Ich: My buspass was stolen ou…
Sie (unterbricht mich schmunzelnd): Who did it steal from you, love?
Ich: Well, … I don't know actually.
Sie: In that case it's not stolen but lost. Please fill out that form for lost property.

Ich nickte gehorsam und meine Ohren färbten sich spürbar rot, während ich den Zettel dann brav ausfüllte. Zu allem Übel wusste ich meine Telefonnummer natürlich nicht auswendig und musste deswegen schnell die Nina anrufen, damit sie sie mir durchgeben konnte. How embarrassing! Das war dann auch der Moment, wo die Gute mich fragte: "Where are you from, dear?"
Ich: "From Austria."
Da holte die beleibte Mitfünfzigerin mit dem bisher so unbestechlichen Hard-As-Iron-Gesichtsausdruck plötzlich lächelnd tief Luft und begann voller Inbrunst zu singen: "THE HILLS ARE ALIVE WITH THE SOUND OF MUUUSIIIIC…"
(Für alle die, die wie ich bevor ich nach Manchester kam, nicht wissen, was das zu bedeuten hat: das ist eine Textzeile aus "The Sound of Music", einem Musicalfilm aus den 60er Jahren über die österreichische Trapp-Familie. Diejenigen Engländer, die Österreich nicht mit Hitler assoziieren, denen fällt gleich "The Sound of Music ein." Wer sich's geben will kann das hier tun:
http://www.youtube.com/watch?v=H5b95IcKdSQ )

Schließlich hatte ich dann doch noch einen Wisch mit einer Policereportreferencenumber in der Hand und die leitete ich auch gleich an die Uni Rider Leute weiter. Allerdings hatte ich wenig Hoffnung, denn das war ja kein Diebstahlsreport sondern eben nur eine Verlustmeldung. Trotzdem schrieb ich denen in gewollt gebrochenem Englisch eine herzzerreissende mail mit meiner Geschichte von der armen, verzweifelten Austauschstudentin, die in der grossen Stadt plötzlich ohne Busfahrticket überleben muss.
Und siehe da! Schon am nächsten Tag erhielt ich die wundervolle Nachricht einer netten Dame, die mir mitteilte, dass das ja normalerweise so nicht geht, dass sie aber in Anbetracht meiner prekären Situation beschlossen hätten, meinen Buspass kostenlos zu ersetzen. Ich solle aber in Zukunft besser darauf aufpassen, denn noch einmal könnten sie das leider nicht machen.
Unnötig zu erwähnen, dass ich voller Dankbarkeit mein glänzendes neues Uni Rider Ticket seither wie meinen Augapfel hüte.

Oh I guess I'm a lucky girl
Oh baby you know it's true
Oh I guess I'm a lucky girl
I've been lucky since I found you

(Ode an meinen Busausweis, mit freundlicher
Unterstützung von Bruce Springsteen)


Cheers mates,

Malaika

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

... dass die polizistin voller inbrunst aus *sound of music* vorgesungen hat, ist sicher ein märchen. eine derartige klischeeverdichtung, nööö ... - tzzzz.

ich glaub die hat mit freundlicher genehmigung von tom petty

*you got lucky babe - when I found you (bzw. when I believed your stolen-busticket-geswindle)*

geträllert ...